Bleriot IV

Die Story:

Die Bleriot III von Ikarus hat uns mehr als 15 Jahre lang Freude bereitet (siehe Bleriot III), doch hat sich das Glück gewendet und meine Vertigo hat in der Luft bei einem großen Looping eine Flächenhälfte der Bleriot mit dem CFK-Fahrwerk geteilt.

Der Zufall wollte es, dass der Crash aus der Luft von der zweiten Bleriot festgehalten wurde (Klick aufs Bild für Video):

Bleriot versus Vertigo (Video, 27MB)

Die Vertigo konnte unversehrt landen; die Bleriot trudelte unsteuerbar zu Boden. Der Schaden war zwar nicht hoch, jedoch war der Wind stark genug, um die abgeschnittene Fläche einfach wegzutragen - so lange, bis wir sie aus den Augen verloren...

Da das Wiesenschleichen und Zeitlupenlanden am Feldweg zu unseren liebsten Flugerfahrungen zählt, hab ich beschlossen, die Beriot wieder flugtüchtig zu machen.
Leider ist die Bleriot III von Ikarus schon seit 10 Jahren nicht mehr erhältlich (was ich für einen schweren Fehler halte, da das Modell - verglichen mit dem vielen anderen Plastik-Schrott, der heute verkauft wird - wirklich herausragende Qualitäten hat: Beherrschbarkeit, Erlernbarkeit, niederige Fluggeschwindigkeit, reparaturfreundliches Design etc.) und so gibt es auch keine Ersatzteile.
Die Herausforderung liegt nun in der Formgebung der Fläche, die von Ikarus aus gefärbtem Polystyrol in einer Form geschäumt wurde. Zwar ist die Fläche gleichmäßig 3mm dick, aber das "Profil" weist einen deutlichen S-Schlag aus, sodass man mit einer einfachen gewölbten Platte das Ziel nicht erreicht.

Der erste Versuch:

Aus Sperrholz hab ich zwei Gerüste bestehend aus Rippen und Nasen- und Endleiste - jeweils für die obere und untere Kontur der Fläche - erstellt. Zwischen diesen beiden Gerüsten wird nun eine 3mm Depron-Platte eingklemmt und mittels Heißluftföhn vorsichtig erhitzt, sodass das Depron "weich" wird und beim Abkühlen in "Form" bleibt. Durch die Rippen soll die Struktur ähnlich der original Fläche aussehen, und auch das S-Schlag Profil sollte dem Original gleichen.
So weit die Theorie.
Die Realität hat dann zwei richtige Probleme an den Tag gebracht:

  • Die Profiltreue ist zu gering. Das heißt: nach der Entnahme der Depron-Flächen aus den gerüsten war die Wölbung der Fläche deutlich geringer als die der Sperrholzrippen.
  • Spannungne in den Flächen. Das heißt: durch die ungleichmäßige Erwärmung und Abkühlung der Flächen haben sich Spannungen aufgebaut, die dazu führen, dass die Fläche bei leichten Verwindungen "umspringt"! Sprich: es gibt zwei stabile Zustände, in der die Fläche verbleibt, wenn man nach dem Verwinden loslässt. Das ist für eine Tragfläche natürlich untragbar. Die Abspannung mit Angelschnur hat hier auch keine Linderung gebracht, da die Verwindung in den äußeren zwei Dritteln stattfindet.

Fazit zum ersten Versuch:
Ja, man kann die Maschine damit fliegen, aber die Flugeigenschaften leiden gewaltig: Der Langsamflug ist viel anstrengender, da die Maschine deutliche Tendenzen zum Ausbrechen hat. Die Gutmütigkeit ist weg. Macht irgendwie nicht so richtig Spaß, weil der Pilot nicht mehr steuert, wohin die Maschine fliegen soll, sondern die ganze Zeit nur das ausbessert, was die Maschine nun falsch gemacht hat...

Darum hab ich zu Beginn der Weihnachtsferien den Beschluss gefasst, die Fläche komplett auf Basis einer anderen Konstruktion neu aufzubauen:

Der zweite Versuch: 

Diesesmal hab ich einen ganz anderen Ansatz gewählt und dabei gleich ein ganz neues Modell konstruiert. Da die Unterschiede zum Ikaurs-Modell nun größer sind, nenne ich sie auch Bleriot IV.
Hier die Auslegungsgrundlagen:

  • Flächenspannweite und Geometrie ähnlich der Bleriot III
  • Profil: gewölbte Platte - und anstelle des S-Schlags noch angeflanschte Querruder, die auch als Flaps nach unten gefahren werden können
  • Höhen- und Seitenleitwerksgeometrie ähnlich der Bleriot III, aber geringfügig vergrößert
  • Rumpf wie bei der Bleriot III aus einem 10x10mm Balsastab, aber 5cm länger

Features:
Naja, wenn man schon ein Modell komplett neu konstruiert und baut, dann kann man ja auch noch ein paar Nachteile des Orignals ausmerzen. Zu den Nachteilen der Bleriot III gehören unter anderem das "sperrige" Design - sprich der Rumpf brauch beim Transport durch die fixen Streben, Gondel und vor allem das Leitwerk viel Platz - und kann dadurch auch leicht beschädigt werden. Darüber hinaus hat mich die Verspannung des Leitwerks und die außen geführte Anlenkung des Höhen- und Seitenruders gestört. Unpraktisch für den Start aus der Wiese war auch die Fahrwerksachse, die gnadenlos bremst...
Hier nun die neuen Wünsche:

  • Abnehmbares Seitenruder und ins Seitenleitwerk integriertes Servo
  • Komplett abnehmbares Höhenleitwerk mit Servo im Höhenleitwerk
  • Abnehmbare Gondel für den Akku
  • Komplett abnehmbares Fahrwerk
  • Verschraubte, austauschbare Steckung der Flächen

Konstruktion:
Neben dem Balsastab für den Rumpf, besteht das ganze Modell noch aus Depron für Flächen und Leitwerk, aus 2mm CFK-Stäben für Flächenvorderkante, Endleiste, Fahrwerksstreben und Verstärkungen des Seiten- und Höhenruders.

Räder, Ruderhörner, Motorträger, Verbindungselemente für die Streben, Verschlüsse und die Rippen für die Flächen kommen alle aus dem 3D-Drucker.
Somit hab ich das gesamte Modell in 3D mit der Software SketchUp konstruiert und dabei sind dann auch gleich direkt die einzelnen Komponenten für den 3D-Drucker "druckreif" entstanden:
Teile aus dem 3D-Drucker

Bau:
Die Teile für den 3D Drucker hab ich mit einem Turnigy Fabrikator hergestellt. Als Material verwende ich eine spezielle PLA-Mischung, die mit 20% Carbon versetzt ist, sodass dei 3D-Teile gegenüber normalem PLA die doppelte Festigkeit besitzen. Ausgenommen davon sind die Räder, die habe ich mit normalem, schwarzen PLA gedruckt, weil die dürfen bzw. sollen ja auch gut einfedern.
Begonnen hab ich mit den Flächen: am Baubrett wird ein Raster im 10cm Abstand aufgemalt; die Rippen werden mit dickflüssigem Superkleber an den 2mm Kohlestab vorne und hinten geklebt.
Danach wird die Position der Rippen auf die Depron-Platte übertragen und für jede Rippe erfolgt ein kleiner keilförmiger Einschnitt am Depron, damit das Depron einerseits bündig mit dem Carbonstab abschließen kann und andererseits nach ca. 1,5-2cm mit seiner gesamten Stärke auf der Rippe aufliegen kann.
Auf der späteren Flächenoberseite wird am Depron nun mit 50% überlappung ein 5cm breites, transparentes Klebeband aufgebracht (also nur eine Hälfte des Klebebands ankleben, der Rest steht noch frei ab), danach auf die Fläche an der Vorderkante und auf den Kohlestab UHU-Por auftragen, trocknen lassen und dann so zusammenkleben, dass die restlichen 50% des Klebebandes um den Kohlestab herum geführt werden können und auf der Unterseite der Depron-Fläche angeklebt werden können. Hierzu sollte man bei den Rippen das Klebeband jeweils mit der Schere etwas einschneiden.
Nun wird die Kontur der Fläche noch zugeschnitten: die Ausformung des Randbogens (abgeschnittenes Teil nicht wegwerfen - wird als Schablone für die zweite Fläche verwendet, damit es schön symmetrisch wird) und der genaue Zuschnitt der Flächenhinterkante.
Die selbe Klebe-Prozedur wie vorhin erledigt man an der Flächenhinterkante: Rippen anzeichnen, Keile aus dem Depron auschneiden, Klebeband, UHU-Por auftragen, trocknen, zusammenfügen, Klebeband einschneiden und umklappen.
Und schon sind die Flächen fertig!

Der Rumpf aus dem 10x10x850mm Balsastab - der je nach Balsa-Qualität 13g oder auch mal 23g wiegen kann - wurde von mir an der Oberseite mit ein paar wenigen Aramid-Rovings belegt und dann dünn mit UHU Endfest 300 eingestrichen. Das ist eig. nicht nötig, aber UHU Endfest 300 wollte ich sowieso für die Verklebung des Motorträgers verwenden und da die Kräfte ein wenig mit Rovings einleiten. Speziell beim Motorträger wäre ein Verklebung mit Superkleber nicht ideal, da bei einer höheren Belastung einfach ein paar Balsa-Fasern mitsamt dem Motorträger abspringen. Also besser mit UHU endfest mit Föhn heißmachen, porentief auftragen und mit Roving sichern.
Auch die zweiteiligen Aufnahmen für die Flächensteckungen hab ich mit UHU Endfest geklebt.
Danach noch den Balsastab mit schwarzem Spray schnell lackieren und die Fahrwerkshalterung mit Superkleber anbringen.

Für Seiten- und Höhenleitwerk gibt es auf A3-Papier Schablonen, die ausgeschnitten werden und mit einem wirklich scharfen Tapezieremesser aus Depron konturtreu ausgeschnitten werden.
Seitenleitwerke oben und unten werden ebenfalls mit UHU-Por aufgeklebt und auf der Oberseite mit weiteren Depron-Teilen (wie im Plan gezeichnet) verstärkt.
Das Seitenruderservo wird mit Superkleber und einem kleinen Balsaholzrest und eienr Schraube befestigt und zusätzlich mit Klebeband am Depron gesichert.
Das Höhenleitwerk wird mit dem Höhenruderservo versehen (UHU-Por & Klebeband), der Kohlestab am Ruder über die ganze länge geführt (UHU-Por & Klebeband) und dann das Ruder mit Klebeband oben und unten am Leitwerk angeschlagen.
Ruderhorn wird mit UHU-Por am Ruder aufgeklebt und ein Anlenkungsstab aus 1mm Stahl zurechtgebogen und eingehängt. Fertig.

Auf der Unterseite des Leitwerks ist aus 3D-gedruckten Teilen ein Verschluss mit Superkleber am Rumpf befestigt, dessen Gegenstücke am Höhenleitwerk mit UHU-Por befestigt sind. Somit kann das Höhenleitwerk von hinten eingeschoben und verrieglet werden und für den Transport auch wieder abgenommen werden. Man muss nur das Servo abstecken.

Die Gondel aus Depronteilen wird auch mit der bewährten Kombi UHU-Por + Klebeband gefertigt, wobei es einen Trick gibt: das 20mm breite Mittelteil, welches von vorne oben über die Spitze, den Boden und hintenrum gebogen wird, das würde beim Biegen brechen...ausser man bringt vorher schon Klebeband auf der späteren Aussenseite auf. Zusätzlich wird die spätere Innenseite mit dem Lineal mehrfach quer zur Biegerichtung mit dem Linieal eingedrückt. dadurch wird der Teil biegsam.
Die Gondelhalterung und das damit integrierte Fahrwerk wird im Prinzip nur aus Carbonstäben mit 2mm Durchmesser in der richtigen Länge (siehe Zeichnung) zusammengesteckt. Die Steckverbinder kommen alle aus dem 3D-Drucker und müssen vor der Verwendung nur noch mit einem 2mm-Bohrer korrekt gereinigt/augebohrt werden.
Beachte, dass nicht vorher Kleber angebracht wird und dann der Teil aufgeschoben wird - das klappt nciht, weil der Kleber sofort das Schieben verhindert. Meine Teile passen so gut "saugend" auf den Carbonstab, sodass ein einfaches Zusammenstecken und ein Tropfen Superkleber als "Sicherung" vollkommen reichen.

Die Abmessungen der Carbonstäbe und die Position der einzelnen Teile kann man aus der Grafik entnehmen:
Bemaßung Bleriot IV

Gewichtsbilanz:
Rumpf mit Gondel & Leitwerken
103 g
Balsastab: 23g
Kleinteile aus dem 3D-Drucker (ohne Motorträger, ohne Rippen): 20g
Rest: Depron und Kohlestäbe
Flächen
92 g
Fläche: je 46g
Fernsteuerung
35 g
Empfänger, Kabel & 4 Servos
Motoreinheit
65 g
Motor mit Regler: 50 g
Motorträger & Propeller: 15 g
Akku (3s1p LiPo 1000 mAh)
85 g

Summe:
380 g

Verglichen mit der original Bleriot III (300g, abgespeckt mit 2s 600mAh und anderen Maßnahmen sogar unter 250g) ist das nun nicht soo umwerfend leicht. Das Gewicht wurde vor allem bei den Flächen liegengelassen; da ist das Original nur Halb so schwer.
Für die Flächenspannweite und -tiefe ist das Gewicht aber trotzdem ein sehr, sehr guter Wert. Die Flugeigenschaften sind entsprechend gut!
Mit denm verbauten Roxxy 2225 und einem 9"x4,7" Prop zieht die Maschine nicht wirklich senkrecht nach oben, aber Hovern klappt schon...
Noch hab ich einen 10A Regler drinnen, sodass die Maximalleistung auf  ca. 110W beschränkt ist - obwohl der Motor doch noch etwas mehr könnte. Aber das war ja nicht das Ziel.
Das angepeilte Ziel "Wiesenschleichen" und Landungen in Zeitlupe, das erfüllt diese Maschine perfekt: Man fleigt so langsam und niederig über die Wiese, dass die Räder durch einzelne Grashalme gedreht werden...
Die Querruder kann man wie Flaps nach unten stellen - aber da die Bleriot sowieso schon hervorragend langsam fliegt, merkt man nur wenig Unterschied zum Normalflug.

Fazit:
Endlich wieder eine sauber steuerbare Bleriot - "der" Slow-Flyer schlechthin!
- und das alles zum Selbermachen, wenn man Zugriff auf einen 3D-Drucker hat!
Screenshots aus Sketchup:

Das fertige Modell:

Erstflug:

Detailfotos mit dezenterer Verkabelung:


 

Bei Interesse am Bauplan (Sketchup Datei mit Gesamtkonstruktion und 31 weitere einzelne Sketchup-Dateien für die 3D-Drucke, PDF mit Schablonen) bitte Mail an
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(C) 2016 DI Christian Steinmann. Alle Rechte vorbehalten.
Die Fotos wurden mit einer Nikon D90 erstellt.